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Geschichte kompakt

Die Gründung und Entwicklung der Hildegardisschule

Mit ihrer Namensgeberin Hildegard von Bingen knüpft die Hildegardisschule an ein Vorbild aus dem 11./12. Jahrhundert an. Durch ihre Gründerinnen, die als "Englische Fräulein" bezeichneten Maria Ward-Schwestern, führt sie wiederum das Werk von Maria Ward aus dem 16./17. Jahrhundert fort.

Anfänge im 19. Jahrhundert

Die eigentlichen Anfänge der Schule liegen im Jahr 1864, als drei Maria Ward-Schwestern aus dem Mutterhaus Mainz die Leitung der privaten "Weidenbachschen Mädchenschule" mit 40 Schülerinnen in Bingen übernahmen. Bereits im darauffolgenden Jahr hatte sich die Zahl der Schülerinnen verdoppelt und wuchs bis 1911 auf 200 Mädchen an. Ein breit gestreuter Fächerkanon, christliche Erziehung und soziales Engagement standen von Beginn an im Vordergrund des "Instituts St. Mariae" in Bingen, das seit 1913 seinen heutigen Standort hatte ("Haus Maria Ward" und "Peter Faber Haus").

Zeit der Weimarer Republik

In der Zeit der Weimarer Republik war durch die steigende Zahl von unterrichtenden Schwestern, weltlichen Lehrkräften und Schülerinnen nicht nur ein quantitatives Wachstum zu verzeichnen; auch in qualitativer Hinsicht veränderte sich der Unterricht an der Hildegardisschule durch seine Öffnung für das, was wir heute als "Handlungsorientierung" und "methodische Vielfalt" bezeichnen, sowie den ersten Einsatz "neuer Medien" durch Film- und Radioapparat. Parallel dazu erfuhr die Schule einen enormen strukturellen Ausbau: Die zunächst dreijährige Grundschule und siebenjährige "Höhere Mädchenschule" (ab 1925 als "Lyzeum des Instituts St. Mariae der Englischen Fräulein zu Bingen am Rhein" bezeichnet) wurden ab den 1920er Jahren um einen Kindergarten, einen sich stets weiterentwickelnden berufsbildenden Zweig sowie die einjährige Frauenschule ergänzt, welche auf die Höhere Mädchenschule aufbaute.

Zeit des Nationalsozialismus

Wie eng die Geschichte der Hildegardisschule an den Verlauf der deutschen Geschichte gekoppelt ist, zeigt eindrücklich die Herrschaft der Nationalsozialisten, deren Bildungsideal in großem Gegensatz zu dem hier vermittelten christlichen Welt- und Menschenbild stand. Eine gewisse Einflussnahme auf die schulischen Geschehnisse im Sinne des totalitären Erziehungsanspruchs konnte nicht vermieden werden. Äußerlich fand sie in Flaggenappellen, NS-Festen und nationalsozialistischem Grußwesen ihren Niederschlag. Dass der Geist der Schwestern diesen Veränderungen jedoch entgegenstand, lässt sich an verschiedenen Beispielen ablesen. So wechselten etwa mehrere jüdische Schülerinnen von der nationalsozialistisch geführten Städtischen Mädchenschule zur kirchlichen Privatschule, um in der Schulgemeinschaft nicht die gleiche Diskriminierung wie in der Gesellschaft zu erfahren. Im Jahr 1939 wurde die Schule schließlich geschlossen. Es folgten 1941 die Enteignung des Instituts der Englischen Fräulein sowie die Ausweisung der Maria Ward-Schwestern aus Bingen.

Nachkriegszeit

Die Überwindung des Nationalsozialismus in Deutschland markiert einen neuen Abschnitt in der Schulgeschichte: Als Oberschule für Mädchen konnte die Einrichtung mit 203 Schülerinnen unter dem Namen "Hildegardisschule" 1945 durch die zurückgekehrten Schwestern in der französischen Besatzungszone wiedereröffnet werden und erfuhr nur ein Jahr später staatliche Anerkennung als neusprachliches Gymnasium (1948 fanden die ersten Abiturprüfungen statt). Es warteten große Herausforderungen: Nicht nur das durch Bombenangriffe teils zerstörte Schulgebäude musste instand gesetzt werden, auch in Verwaltung und Pädagogik wollten und sollten neue Weichen gestellt werden; die besondere Förderung des Französischen ist hierfür ein hervorstechendes Beispiel.

Entwicklung bis zum Ende des 20. Jahrhunderts

In der folgenden Zeit wuchs das Schulangebot zu seiner heutigen Dimension an. Insbesondere die Wurzeln der BBS aus den 1920er Jahren wurden ausgebaut. Die zahlreichen Veränderungen im berufsbildenden Bereich standen einige Jahrzehnte später ebenso wie die Einführung des gymnasialen Kurssystem in der Sekundarstufe II ("Mainzer Studienstufe (MSS)" 1974) im Kontext der breit angelegten Bildungsmodernisierung und -demokratisierung der 1960er und 70er Jahre. Die "Bildungsexpansion" schlug sich nicht zuletzt räumlich in der Hildegardisschule nieder: Die wachsende Schule brauchte mehr Platz. So fand sie in den Jahren 1960-1962 durch Kapelle, Turnhalle/Aula und "Haus Jutta" eine erste Ausdehnung, 1974 durch das "Haus Hildegard" eine zweite und 1984 in Form der zusätzlichen Sporthalle eine dritte.

Die Hildegardisschule im 21. Jahrhundert

Bauliche Erweiterungen und Modernisierung prägten auch die frühen Jahre des neuen Jahrtausends, ob es sich nun um das "Haus der Kunst" (2001) handelte, die neue BBS-Küche im "Haus Jutta" (2002), die neugestaltete Bibliothek (2003), die Chemieräume und den Meditationsraum im Haus "Maria Ward" (2005), den heutigen Sportplatz (2006), die neue Cafeteria (2007), die Modernisierung der Aula (2009), die Umwidmung des Peter-Faber-Hauses zu Klassenräumen für die BBS zum Schuljahr 2011/12, die Neugestaltung des Schulhofes (2011-14) oder um die zahlreichen Umstellungen hin zu einer klimafreundlichen Schulanlage.

Nicht nur baulich entwickelt sich die Hildegardisschule stets weiter. Als "Meilensteine", die das heutige Profil der Schule prägen, sind allen voran die Einführung des Unterrichtskonzepts "PaV - Profil im Vormittag" (bewertungsfreie Projektarbeit in der Kernzeit) für die Mittelstufe 2004 sowie die Einführung eines Ganztagszweigs in rhythmisierter Form für die fünfte und sechste Klasse 2010 zu nennen. In Angebotsform erstreckt sich der Ganztagsbetrieb mittlerweile auch auf die Jahrgangsstufen sieben und acht.

1989 wurde die Trägerschaft der Hildegardisschule von den Maria Ward-Schwestern der Rheinischen Ordensprovinz an das Bistum übergeben (seit 2010 hat das Bistum auch die Liegenschaften inne). Im Jahr 1999 erhielt die Hildegardisschule erstmals eine weltliche Schulleiterin, 2003 wurden die letzten Schwestern aus Bingen verabschiedet.

Bei aller zeitgemäßen Weiterentwicklung bleibt das christliche Leitbild der Schule stets im Fokus. In Projekten wie der erfolgreichen Teilnahme am "Trialog der Kulturen: Mensch, Kreatur, Natur - was sagen Judentum, Christentum und Islam?" 2012/13 oder der Zertifizierung als "Schule ohne Rassismus" 2014 spiegelt sich eine Schule wider, die ihre christliche und historische Prägung im 21. Jahrhundert auf vielfältige Weise weiterträgt.

Zukunft als staatliche Schule

Zum Schuljahr 2023/24 beginnt ein neues Kapitel für die traditionsreiche Hildegardisschule: Ihre Trägerschaft wechselt vom Bistum Mainz zum Landkreis Mainz-Bingen.

Die augenscheinlichste damit verbundene Veränderung stellt die Aufnahme von Jungen dar, welche die nunmehr koedukative Hildegardisschule zusammen mit ihren Mitschülerinnen bereichern werden.  Eine weitere Umstellung ist das Ende des Schulverbunds von Gymnasium und Berufsbildender Schule sowie die bevorstehende Schließung der BBS zum Schuljahr 2024/25. Letztlich gehen mit dem Trägerwechsel ebenso personelle Veränderungen wie Um- und Neugestaltung in den verschiedensten schulorganisatorischen Bereichen einher.

In besonderer Weise hat die Zeit des Übergangs hin zum öffentlichen Gymnasium die Verbundenheit der gesamten Schulgemeinschaft mit den Werten der Hildegardisschule zum Ausdruck gebracht. Ihr Anliegen ist es nun, gut Bewährtes fortzuführen und zugleich die neuen Perspektiven als staatliche Schule zu nutzen. Mehr denn je verkörpert die Hildegardisschule Bingen auf diese Weise eine „Schule mit Tradition und Zukunft“.

Cornelia Bott

Quellen

Tobias S. Schmuck, bearbeitet von Susanne Chwalek und Joachim Junker: Die Wurzeln der Hildegardisschule, in: HIGA 150 Jahre, hg. von Birgid Lier-Kories und Werner Kettel, 2015; Beiträge zur Schulgeschichte von Hans-Joachim Peter, Werner Brilmayer und Axel Lorenz, in: Hildegardisschule Bingen 1864-1989, S. 25-51.

Bilder: Sammlung Hendrika Sonntag